Diese Umstände zwangen den Chefarzt Dr. Thyroff zu notwendigen Erweiterungsbauten des Franziskushauses (Erhöhung der Bettenkapazität, Bau weiterer Operationssäle und Röntgenzimmer). Ranghohe Sanitätsoffiziere sprachen sich bei ihren Inspektionsbesuchen stets anerkennend über den Zustand der hiesigen Lazarette aus.
Dr. Thyroff war bei seinen Patienten hochgeschätzt und beliebt. Er kümmerte sich auch um berufliche Weiterbildungsmaßnahmen während des Lazarettaufenthalts der Soldaten, wie z. B. Kurse in Deutsch, Buchführung oder Stenographie. Unvergesslich sind die zahlreichen Musik- und Theateraufführungen der Kinderheimzöglinge oder die Nikolaus- und Weihnachtsfeiern zusammen mit dem Sanitätspersonal und den Mallersdorfer Schwestern.
Schärfster Gegner Dr. Thyroffs war der fanatische Hitler-Anhänger, Kreisleiter Schwägerl aus Mühldorf. Dieser plante, das Kinderheim mit den Klassenzimmern in Schulungsräume für SS-Männer umzuwandeln. Dieses Ansinnen stieß beim Chefarzt auf stärksten Widerstand. Auch der Installation einer Abhöranlage wusste sich das Nicht-Parteimitglied Dr. Thyroff zu entziehen.
Um beide Lazarettstädte entsprechend der Haager Konvention vor Kriegshandlungen zu verschonen, führte Dr. Thyroff lange Verhandlungen mit dem Oberkommando der Wehrmacht und der Gauleitung in München. Letztere lehnte ab, das OKW aber stimmte dem Vorschlag einer „Schutzzone des Roten Kreuzes“ zu. Deshalb ließ der Chefarzt im Frühjahr 1945 an den Ortseingängen entsprechende Hinweistafeln aufstellen. Schwägerl aber befahl wutentbrannt, diese Schilder mit der Aufschrift „Schutzzone des Reservelazaretts Altötting. Belegung mit Truppen verboten“ zu entfernen.
Der Krieg rückte immer näher. In den letzten Kriegswochen 1945 spitzte sich die Lage dramatisch zu. Tieffliegerangriffe und Bombardierungen forderten zahlreiche Opfer und Lazarettzüge schafften ununterbrochen neue Schwerstverletzte herbei. Im Franziskushaus wurden sämtliche Speisesäle, Gänge und Keller mit Betten belegt.
Aus dem Raum Regensburg/Landshut südwärts vorstoßende Panzerverbände des VII. US-Armeekorps hatten bei Neuötting den Inn erreicht. Die dortige Marienbrücke lag in Schutt und Asche. In der Nacht vom 1./2.Mai war die Lage bis zum Zerreißen gespannt. Das Ultimatum der Amerikaner (Abzug der SS-Einheiten, weiße Fahnen, Beleuchtung aller Fenster und Straßen) war bis Mitternacht befristet.
Dr. Thyroff hatte in diesen hochdramatischen Stunden an seine Lazarette die Anweisung gegeben, alle Transportfähigen in die Kellerschutzräume zu schaffen. Auf die Frage von besorgten Sanitätshelfern, ob das auch für die Schwerstverletzten gelte, antwortete der Chefarzt lapidar: „Ja, san alle de mein!“
Was sich dann kurz nach 22 Uhr an der gesprengten Innbrücke ereignete, darüber gibt es mehrere Versionen. Eine sehr glaubhafte stammt von der Zeitzeugin Ella Grieb, Dr. Thyroffs langjähriger Chefsekretärin: Eine Gruppe engagierter Männer aus Alt-Neuötting mit Oberstabsarzt Dr. Thyroff ruderte mit einem Kahn in stockdunkler Nacht über den durch Regenfälle hochgehenden Inn, um von den Amerikanern die Übernahmebedingungen widerspruchslos entgegenzunehmen und so die beiden Städte vor der drohenden Beschießung zu bewahren. Und das mit Erfolg!
Erst Ende Oktober 1949 wurde das Lazarett - allerdings unter dem neuen Namen „Staatliches Versehrten-Krankenhaus“ - weitergeführt, bis die letzten Verwundeten nach Hause entlassen wurden.
Am 25. Juli 1945 übersiedelte Dr. Friedrich Thyroff – in München ausgebombt – ins dortige Altenheim Josephinum, wo er nach jahrelanger Zuckerkrankheit am 22. November 1947 verstarb. Mit einer Straßenbenennung in den 50er Jahren ehrte die dankbare Stadt Altötting den aufopferungswilligen Arzt und Retter unserer Heimat.
Quellen / Foto: Stadtarchiv Altötting/Stadtheimatpfleger