von Stadtheimatpfleger Manfred Lerch und Stadtarchivarin Dr. Ulrike Scholz
Bahnhof Altötting
Geschichte des Bahnhofs von Altötting
Zu den Anfängen
Mit dem Bau der großen Eisenbahnstrecke München-Mühldorf-Simbach im Jahre 1871 wurde auch das bis dahin eisenbahnlose Viereck Südbayerns fürs neue Verkehrszeitalter erschlossen. Innschifffahrt und Postkutsche verloren an Bedeutung. In gleichem Maß schwand die Zahl der Fußpilger nach Altötting, während die der Eisenbahnpilger über den weiten, umständlichen Weg vom Bahnhof Neuötting-Eisenfelden zum Gnadenort drastisch stieg.
Aus diesem Anlass machten sich am Tag nach dem Fronleichnamsfest 1892 der amtierende Altöttinger Bürgermeister Max Beck (1838-1901) und der Gründer des Seraphischen Liebeswerks, der Kapuzinerpater Cyprian Fröhlich (1853 -1931) vom hiesigen St. Annakloster auf den Weg nach München, um den dort dafür zuständigen Minister Graf von Crailsheim für die Anbindung Altöttings ans Schienennetz zu gewinnen. Doch der liberalgesinnte protestantische Adelige zeigte für den Herzenswunsch der Altöttinger Bittsteller kein Verständnis und beendete abrupt die Audienz. Zunächst sah die Angelegenheit für die beiden nicht erfolgreich aus. Das angestrebte Bahnprojekt war bereits in einer Ausschusssitzung der Abgeordnetenkammer abgelehnt worden. Verärgert soll damals Prinz Ludwig, der spätere König Ludwig III. ausgerufen haben „Wie kann man dem nach München verkehrsreichsten Orte Bayerns die Bahn vorenthalten? Vielleicht weil es ein Wallfahrtsort ist?“ Nicht zuletzt war es P. Cyprians Bemühungen, dem beste Beziehungen zum Haus Wittelsbach nachgesagt wurden, zu verdanken, dass schließlich die Lokalbahn Mühldorf-Altötting-Burghausen doch noch bewilligt wurde.
Am 1. Juni 1894 traf ein Telegramm aus München in Altötting ein mit dem Inhalt „Schlußentscheid für Linie Burghausen-Altötting- Mühldorf“:
- die Bahnlinie Neuötting-Burghausen wird verworfen,
- die Trasse über die Griessenke wird aus Kostengründen abgelehnt,
- der Bahnhof Altötting wird am südlichen Ortsrand gebaut.
Am 1. Mai 1897 wurde Altötting ans bayerische Eisenbahnnetz angeschlossen und eröffnet. Um 9 Uhr 40 Minuten traf der mit Fahnen und Girlanden festlich geschmückte Zug aus Mühldorf ein, unter Böllerschüssen und mit flotter Marschmusik der Esterer-Werkskapelle euphorisch begrüßt von einer hundertköpfigen Menschenmenge. Mit Hochrufen auf Bürgermeister Max Beck, Pater Cyprian und den König endete die Feier.
Der Bahnhof Altötting, zunächst nur als „Haltestelle“ betitelt, war anfangs unbesetzt. Den Fahrkartenverkauf gab es beim Zugkondukteur und das nur für Tüßling und Mühldorf - erst um die Jahrhundertwende wurde der Billettverkauf auch auf entferntere Gebiete Bayerns ausgeweitet.
Nach Eröffnung des Bahnhofs wurde Altötting mit einem „Lokalbahnexpedienten“ besetzt, der zur weiteren Unterstützung die Beihilfe seiner Frau bekam. 1898 wird die „Haltestelle“ aufgrund der hohen Beförderungszahlen zur „Bahnstation“, einhergehend mit der Erweiterung des Bahnhofs und der Gleisanlage.
Mit ständig steigenden Fahrgastzahlen (1900: 409.374) gehörte die „Cyprians-Bahn“, wie sie im Volksmund hieß, durch die Wallfahrt bald zu den „frequentiertesten und rentabelsten Eisenbahnstrecken Bayerns“.
Baugeschichte des Bahnhofs und seine Revitalisierung (2017-2019)
Ein Situationsplan des Altöttinger Baumeisters Simon Lehner vom Mai 1896 zeigt die Größe und Aufteilung des im Entstehen sich befindenden Gebäudekomplexes, bestehend aus „Betriebsgebäude“, „Halle“ und „Abort“ sowie weiter östlich, einer „Ladehalle“. Bereits 1906/07 erfolgte aufgrund der sehr hohen Beförderungszahl eine Erweiterung des Komplexes, indem man die bestehende Anlage spiegelte. Bauliche Besonderheiten, die den Altöttinger Bahnhof aus der Menge der anderen Bahnhöfe dieser Zeit heraushebt, sind zum einen die „Pilgerhalle“/“Bethalle“, um den ankommenden Wallfahrern einen überdachten Platz zu bieten. Zum anderen ein „Cabinet für allerhöchste Herrschaften“. Aufgrund der engen Verbundenheit Altöttings mit dem Haus Wittelsbach wurde dieser Raum wohl bei deren Ankommen bzw. Abfahrt genutzt.
Im Laufe der Jahre hat der Bahnhof etliche Besitzerwechsel und Umbauarbeiten erfahren. Ende 2005 kaufte die Stadt Altötting von der Deutschen Bahn das heute unter Denkmalschutz stehende Altöttinger Empfangsgebäude. Das Bahnhofsgebäude ist heute ein mehrgliedriger, unverputzter Klinkerbau. Es ist zweigeschossig und schließt nach oben mit einem Walmdach ab. Östlich ist ein eingeschossiger Trakt angebaut. Dieser öffnet sich im Süden, in Richtung der Gleisanlagen, als überdachte offene Sommerhalle, welche auch als Bethalle bezeichnet wird. Westlich befindet sich ebenfalls ein eingeschossiger Gebäudetrakt, der jedoch mit einem zweigeschossigen Kopfbau endet. Dieser östliche Teil des Empfangsgebäudes diente hauptsächlich dem Personal, wohingegen sich die Warteräume und die Eingangshalle in den anderen Gebäudeteilen befanden.
Das gesamte Umfeld des Bahnhofsgebäudes wurde zwischen den Jahren 2000 und 2007 städtebaulich deutlich aufgewertet und in mehreren Bauabschnitten eine Park & Ride-Anlage, eine Bike & Ride-Anlage sowie der zentrale Busbahnhof errichtet. Zudem wurde der Vorplatz neugestaltet. Bald wurde aber deutlich, dass bei dem Bahnhofsgebäude nur ein Gesamtkonzept zur Revitalisierung des selben Sinn macht. Es wurde von der Stadt erarbeitet und eng mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege abgestimmt. Neben Grundsicherungsarbeiten (Dacherneuerung, Fassadenreinigung und Ausbesserung, Rückführung der Fenster auf Kastenfenster) wurden die Fußböden erneuert, die Innentüren und Treppe saniert und nachträglich erfolgte Einbauten rückgängig gemacht. So präsentiert sich heute der Wartebereich als ein großzügig gestalteter und gut einsehbarer Raum mit einem integrierten Café. Die ReiseAgentur Wieninger wurde verlegt und ebenfalls saniert. Für den Historischen Verein Alt-Tilly e. V. sowie die Krieger- und Soldatenkameradschaft Altötting wurden Vereinsräume eingerichtet. Auch die geplante Fahrradstation trägt zu einer weiteren Belebung des Bahnhofs bei. Das Bahnhofsgebäude ist in allen Bereichen barrierefrei gestaltet. Die bestehenden Wohnungen im Bahnhofsgebäude wurden mit Sondermitteln des Freistaates saniert; so konnte für vier Flüchtlingsfamilien Wohnraum geschaffen werden.
Städtebauförderung und weitere Fördermittel
Die Sanierung des historischen und denkmalgeschützten Bahnhofs wurde durch Fördermittel aus verschiedenen Programmen der Städtebauförderung ermöglicht. Es kamen vor allem Mittel aus dem Bund-Land Programm „Aktive Zentren“ und „Integration im Quartier“ zum Einsatz. Mit der Sanierungsmaßnahme schafft die Stadt einen weiteren wichtigen Baustein zum Thema „Entwicklung und Stärkung der Innenstadt“. Mit den Fördermitteln von Bund (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat) und Freistaat Bayern (Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr) werden kommunale Planungen unterstützt, die nachhaltige städtebauliche Strukturen mit hoher Lebens-und Gestaltungsqualität schaffen. Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie unterstützt die Maßnahme mit Fördermitteln für öffentliche touristische Infrastruktur (RÖFE).
Zusätzliche Unterstützung des Projektes erhielt die Stadt Altötting durch Mittel der Bayerischen Landesstiftung, des Bezirks Oberbayern, des Landkreises Altötting und der Deutschen Bahn AG.